Der Marillenbaum, der sich an dem Haus meiner Großeltern stützte, war ein Hochzeitsgeschenk. Seit 1955 schlug er dort Wurzeln, wo ich später einen großen Teil meiner Kindheit verbrachte. Im Sommer gab es nichts schöneres, als die prallen, reifen, süßen Früchte vom Baum zu pflücken, was in Ermangelung von Körpergröße auch mal in Teamarbeit mit Räuberleiter geschehen musste. Meine Großeltern sind inzwischen tot, das Haus soll dieses Jahr abgerissen werden und der Baum trägt schon seit mehreren Jahren keine Früchte mehr.
Auf jeden Fall kann ich, wenn ich irgendwo Marillen (oder eben Aprikosen, wie es hierzulande heißt) zu kaufen gibt, kann ich nicht nein sagen. Und obwohl die hier erworbenen Früchte niemals an den Geschmack der frisch vom Baum gepflückten herankommen können, kommt jedes Mal ein Schwall Kindheitserinnerungen hoch.
In der frommen Absicht, endlich mal wieder einen Marillenkuchen zu backen, machte ich mich heute auf den Weg zu insgesamt drei verschiedenen Obsthändlern, um dort festzustellen, dass sämtliche angebotenen Marillen steinhart waren und mindestens eine Woche nachreifen hätten müssen. In meiner Verzweiflung griff ich auf Dosenobst zurück. Der Kuchen ist also nicht so gut geworden, wie er hätte sein können. Ich mag ihn trotzdem und wenigstens weiß ich jetzt, dass ich auch im Winter auf meine Dosis Marillensüßkram nicht verzichten muss.